Liebe Lesende,
diese Woche begann mit einem länger erwarteten und wenig überraschenden Urteil aus Münster. Die AfD hatte gegen die Einstufung als Verdachtsfall geklagt, und dann mit rund 500 Anträgen das Verfahren selbst lahmzulegen versucht. Das hat nicht funktioniert, die AfD ist nun gerichtlich bestätigt im Verdacht, rechtsextremistisch zu sein. Der Verfassungsschutz darf (und muss) nun weiter beobachten. Die Debatte über ein AfD-Verbotsverfahren nimmt damit erneut Fahrt auf. Aber Obacht, bis zu einem Antrag auf Einleitung oder gar der Entscheidung darüber ist noch einiges an Weg zurückzulegen, Beweise zu sammeln. Zurücklehnen und abwarten reicht also nicht.
Es gilt, was immer gut war und ist: Gesicht zu zeigen, sich selbst zu engagieren, nicht allein auf andere zu bauen. Dass das dann auch bedeutet, dass der Rechtsstaat dieses demokratische Engagement unterstützt und schützt, wo die Lücken sind, wer dieses Engagement bekämpft - all das ist diese Woche auch Thema in einer Aktuellen Stunde im Bundestag.
Hartes Break? Jupp, BSWAG. Also Bundesschienenwegeausbaugesetz. Der Bundestag hat das verabschiedet, der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss angerufen. Soweit so bekannt - und wer sich fragt, warum ist das denn noch nicht erledigt - nun. Es wird sortiert, wo eine Einigung liegen könnte. Die Themen sind markiert, es geht um Finanzierungstatbestände für Ersatzverkehr, wenn eine wichtige Fernbahntrasse gesperrt und saniert wird, um Bahnhöfe, um Digitalisierung. Das als Wasserstand, mehr, wenn wir weiter sind.
THC-Grenzwert fürs StVG
Weiter hingegen sind wir bei einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, die diese Woche in die erste Lesung im Bundestag geht. Cannabiskonsum ist seit 1. April 2024 legal. Die bestehende Regelung zu THC-Werten im Blut führt aber dazu, dass nach Konsum teilweise wochenlang nicht Auto gefahren werden darf. Der Stoff lagert sich im Körper an und ist gerade bei regelmäßigem Konsum über Tage oder gar Wochen nachweisbar, auch wenn die Rauschwirkung schon lange abgeklungen ist. Mit 3,5 ng/ml THC im Blutserum ist im Gesetzentwurf nun einen plausibler Gefahrengrenzwert festgelegt. Im Rahmen von Verkehrskontrollen sollen bei Verdachtsfällen künftig auch Speicheltest als Vorscreening zulässig sein. Diese eignen sich im Besonderen dafür Konsum im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt zu identifizieren. Eine öffentliche Anhörung zum Gesetzesvorhaben ist für den 3. Juni 2024 terminiert. Digital kann sich hier für die Teilnahme angemeldet werden.
Podium I - Nationale Umsetzung der europäischen Erneuerbaren Energien Richtlinie - RED 3
Am Mittwoch war ich beim Forum für Zukunftsenergien aufs Podium geladen worden. Es ging um die nationale Umsetzung der europäischen Erneuerbaren Energien Richtlinie Teil 3 (RED III). Wie soll der von 14 % auf 29 % steigende Mindestanteil an erneuerbaren Energien im Verkehrssektor umgesetzt werden - dazu kann man sich politisch sehr gut streiten. Bei der E-Mobilität die Technologieführerschaft anzustreben, das ist mein Standpunkt. Bei der vielfach anwesenden Biokraftstoff-Branche löst das nicht unmittelbar Jubel aus. Aber auch Biokraftstoffe aus als solchen zertifizierten Reststoffen werden gebraucht werden - und auch künftig deutlich zu wenig vorhanden sein. Bis zur Umsetzungsdeadline am 30. Mai 2025 wird noch viel über Mengen, Faktoren, Antriebsarten, Kraftstoffe und Verkehrsträger debattiert werden. Dass die CO2-Reduktionsvorgaben finanzielle Phantasien auslösen, ist spürbar. Jede Regelung wird deswegen mehrfach auf Plausibilität zu überprüfen sein.
Podium II - Endlich europäische Technologieführerschaft bei der E-Mobilität ergreifen
In der Niederländischen Botschaft wurde gleich im Anschluss die Antriebswende bei E-Lkws im grenzüberschreitenden Verkehr diskutiert. Gemeinsam mit einer Unternehmensvertreterin für Ladesäulenbau, dem Verband der Netzbetreiber, einem Speditionsverband und Vertretern aus der Politik. Wahrgenommenen Konsens gab es beim Thema knappe Ressourcen (Geld, Personal) und Prioritäten setzen: Wenn der Staat fördert, dann bitte zuallererst den Ausbau der Stromnetze. Und die Ladeinfrastruktur selbst - wobei nicht ganz geeint schien, was dort aus der Branche selbst aufgebracht werden kann. Ein bisschen aus dem Rahmen fiel der vorangegangene Vortrag eines einzelnen Herstellers, der minutenlang gasbetriebene Fahrzeuge anpreiste. Aber zurück zum Thema: Im Gegensatz zur individuellen Fahrzeugförderung kommt die Förderung von Netzausbau nicht nur einzelnen zu Gute. Das beschleunigt neben der Antriebswende bei Fahrzeugen auch die Energie- und Wärmewende. Eine stabile und belastbare Netzinfrastruktur hilft zudem mehrfach: die Stromversorgung wird dezentraler, tages- und wetterunabhängiger organisiert.
Diese Woche auch im Parlament:
Das Plenum diskutiert 75 Jahre Europarat, ein Symbol für Menschenrechte und Demokratie. Die Europäische Menschenrechtskonvention und der EGMR sind wichtig - insbesondere für bedrohte Personen. Die Urteile des EGMR zeigen Misstände auf und fordern Abhilfe ein - das muss umgesetzt werden, z.B. im Fall Kavala und Demirtas in der Türkei.
Ich wünsche eine fürderhin gute Woche
Stefan Gelbhaar
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