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Heizungsgesetz geht in die Sommerpause +++ HH 2024: erste Einschätzung +++ Wahlen im Osten +++ DB



Liebe Lesende,


das Gebäudeenergiegesetz (kurz "GEG" oder auch "Heizungsgesetz") kommt: nach der sitzungsfreien Zeit. Nach einer hart überdrehten Anti-Habeck-Kampagne („Heizungshammer“) hat der liberale Koalitionspartner seine Fassung gefunden und über die offenen Punkte verhandelt. Gegen die finale Beschlussfassung am heutigen Freitag hat ein Abgeordneter der CDU vor dem Bundesverfassungsgericht mehr Zeit geltend gemacht. Für Reaktionen auf Änderungen zum Gesetzesentwurf war die Zeit zu kurz. Nun hat er, haben alle Abgeordneten, die gesamte sitzungsfreie Zeit bis Anfang September zum Lesen. Nur zum Festhalten: Das Gericht hat nicht den Inhalt des Gesetzentwurfs bewertet, sondern nur den engen Zeitplan verworfen. Das finde ich - über den einzelnen Gesetzentwurf als Anlass der Entscheidung - auch gut begründet, gerade bei der Vielzahl der Gesetze nach Jahren des Beinahe-Stillstands. Und in der letzten Legislatur gab es gar Tischvorlagen, die im Eiltempo beschlossen wurden. Künftig dürfte es klarere Fristen geben - und das ist nur zu begrüßen.


Am 4. September beginnt die nächste Sitzungswoche, dann kommt der Haushalt für 2024 endlich ins Plenum. Nachdem der Finanzminister ohne Not sehr viel Zeit für einen ersten Entwurf verstreichen ließ, wurden in dieser Woche nun erste Zahlen veröffentlicht:



Haushalt 2024 bringt endlich bedeutend mehr Mittel für die Schiene


Vergangenen Mittwoch hat die Bundesregierung nach intensiven Verhandlungen einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschlossen. Fast 30 Milliarden Euro will der Finanzminister gegenüber dem Jahr 2023 einsparen. Der Entwurf sieht entsprechend flächendeckend Kürzungen vor. Der Verkehrsetat wächst zwar als einer der wenigen Etats um etwas mehr als 3 Mrd. Euro an. Allerdings steigen nach Schätzungen des Finanzministeriums die Einnahmen durch die Änderung der LKW-Maut um über 7 Mrd. Euro. Im Ergebnis kommen also gut 4 Mrd. Euro aus der Maut-Erhöhung nicht im Verkehrshaushalt an. Im Einzelplan selbst fließen 2,8 Mrd. Euro mehr in Erhalt und Ausbau der Schieneninfrastruktur. Wir Grüne haben um jeden einzelnen Cent davon seit Beginn dieser Legislaturperiode gekämpft. Dennoch: Die Schiene braucht mehr, um die Verkehrswende zu stemmen. 400 Mio. Euro zusätzlich gibt es für Erhalt und Ausbau der Wasserwege. Immerhin muss sich dieses Jahr nicht wieder das Parlament darum kümmern, dass die Schleusen nicht auseinanderfallen. Auch für den Straßenbau finden sich 200 Mio. Euro mehr. Hier werden wir insbesondere beim Neubau noch einmal ganz genau hinsehen, was da wirklich nötig ist. Der Flugverkehr hingegen ist von 100 Mio. Euro, der Radverkehr sogar von 150 Mio. Euro Kürzungen betroffen. Es ist schwer die Kürzungen im Radverkehr anders zu verstehen als ideologisch gegen die Verkehrswende getrieben. Über den Sommer werden wir uns den Entwurf noch einmal genau ansehen und im Herbst dann darum ringen, ihn doch noch - hoffentlich deutlich - zu verbessern.



AfD-Erfolge im Osten: Demokratisches System verteidigen


Die Wahlen in Sonneberg und Raguhn-Jessnitz bringen nicht nur politikwissenschaftliche Aufmerksamkeit - sondern müssen auch politisch analysiert und nicht nur als Denkzettel, sondern als Machzettel verstanden werden. Die Demokratie muss sich beweisen, durch Handeln, aber auch durch Erklären, wie was funktioniert. Zeigen, dass Koalitionen konstruktiv und effektvoll zusammenarbeiten, dass Koalitionsverträge gelten - und auch umgesetzt werden. Es wird allseits gesehen und verstanden, ob Streitereien der Profilierung wegen oder im Ringen um die beste Sachlösung geschehen - und ob ein konkretes, getragenes Ergebnis folgt (z.B. 49-EUR-Ticket). Der lange Streit um Heizungsgesetz, Klimaziele, Verkehrswende usw. hat viele Menschen genervt. Die Erwartungen sind: Plausible Ergebnisse, gut kommuniziert. Der demokratische Output muss stimmen.


Zugleich hat die Opposition auch eine Verantwortung: für die Tonalität. Die Union muss das für sich rasch klären. Dem erklärten Ziel der AfD, lokal wachsende politische Inseln zu schaffen, in denen sie das Sagen hat, kann mit klarem Regierungshandeln und guter, harter demokratischer Debatte der Boden entzogen werden. Auch in Thüringen, Brandenburg und Sachsen, die im AfD-Fokus stehen - und 2024 Landtagswahlen anstehen. Der angekündigte „heiße Herbst“ zerfiel so in sich. Das gilt es zu wiederholen, die Chance dafür ist da und riesengroß.



Deutsche Bahn: Frühling, Sommer, Herbst und Winter


Die Schieneninfrastruktur soll am Gemeinwohl ausgerichtet und betrieben werden. Dazu wird eine eigene Infrastrukturgesellschaft errichtet durch das Zusammenlegen insbesondere von DB Station & Services sowie DB Netz. Der Verschmelzungsbeschluss steht an. Dem bürokratischen Schritt muss der eigentliche folgen: Die Infrastruktur dient nicht dazu, aus ihr Profite zu ziehen und dabei auf Verschleiß zu fahren. Fahrgäste und Gütertransporte sind der Mittelpunkt, in der Folge muss in die Schiene investiert werden. Das Geld dazu soll großteilig aus der LKW-Maut kommen, und aus dem Haushalt. Offen, wie viel es am Ende wird - diese Auseinandersetzung folgt in den Haushaltsberatungen ab Spätsommer. Der Regierungsentwurf hat hier zwar etwas mehr Geld vorgesehen, aber nicht den erhofften großen Schritt geschafft. Da steht noch Arbeit ins Haus.


Dabei muss jedoch eins gelten - zunächst das Vorwort: Die Bahnbranche ist so gut wie ihre Mitarbeiter. Auf ihrem Rücken liegt die Last. Deswegen verbieten sich verunsichernde Slogans: Eine „Zerschlagung der Bahn“ ist nicht das Ziel der Ampel-Koalition und wird nicht kommen. Auch die Monopolkommission des Bundes fordert derlei nicht, sondern unterstützt den Kurs der Ampelregierung - und gibt Hinweise in Bezug auf die Ausgestaltung von Verträgen. Diese Debatte ist sinnvoll und notwendig - aber nicht mit plakativen, nicht hilfreichen Überschriften zu erledigen.




Kurzstrecke durchs Plenum:


Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung jetzt beschlossen: Mit dem Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz kann das Kartellamt besser durchgreifen, wenn Märkte gestört sind und wenn Preise ohne Grund nach oben schnellen, die Abschöpfung von Kartellvorteilen wird deutlich einfacher, die Entflechtung wird geregelt.


Verbandsklage: Betrogene Verbraucher*innen bekommen mit der Verbandsklage ein Instrument, um gemeinsam statt individuell und direkt Schadensersatz einzufordern. Mit der Verbandsklage werden Hürden für Geschädigte abgebaut und die Justiz spürbar von Massenverfahren entlastet. Besonders freut uns das späte Opt-in, das wir in den Verhandlungen erreichen konnten: Kläger*innen können sich bis zu drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung einer Verbandsklage anschließen.




Sommerliche Grüße!

Stefan Gelbhaar

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