Liebe Lesenden,
Schluss mit dem "Zentimeter-Diktat" bei Radwegen! Das behauptet die Berliner CDU und will das Mobilitätsgesetz novellieren. Den vorgelegten Entwurf will ich nicht unkommentiert lassen.
Erstmal grundsätzlich: Im Mobilitätsgesetz gibt es keine Größenvorgaben für Radverkehrsanlagen. "Diese sollen so gestaltet werden, dass sich Radfahrende sicher überholen können" (vgl. §43 Abs. 1 S. 2 MobiG). Diese Regelung ist eine Soll-Vorschrift. Können Radwege nicht entsprechend angelegt werden, weil die Situation vor Ort das nicht hergibt etc., lässt dies Raum für alternative praktikable Lösungen. Simple Gesetzgebungstechnik.
Drum: Von einem Berliner Senat sollte anderes und mehr zu erwarten sein, als einen Versuch zu starten, mit unredlichen und kenntnisfreien Behauptungen, eine auf das Auto fokussierte Verkehrspolitik durchzusetzen. Denn die CDU spielt hier Parteiinteressen gegen die Sicherheit von Menschen aus.
Wird der Vorschlag so umgesetzt, wird sicheres Überholen auf Radwegen künftig nicht mehr möglich sein. Die Folge: Unsichere Radwege, die weniger genutzt werden. Damit werden dann wieder mehr Menschen im ÖPNV und mit dem Auto unterwegs sein. Kurzum: die Busse voll, die Züge voll, die Straßen voll. Stau, Stau, Stau. Und das, nachdem Berlin in den letzten Jahren den Stau auch dank neuer und besserer Radwege reduzieren konnte.
Am Ende schadet die von wenig Kenntnis und viel Ideologie getrieben Politik sogar den Menschen, die auf das Auto angewiesen sind. Chapeau, das musste erstmal hinkriegen.
Spannend wird nun sein: Was macht die SPD? Das gemeinsam mit ihr beschlossene Berliner MobiG gilt als Meilenstein der sozial-ökologischen Verkehrswende, hat qualitative und quantitative Maßstäbe gesetzt. Wird sich die SPD tatsächlich an der Aushöhlung des MobiG beteiligen, sich dem Auto-Populismus anschließen? Die Bekenntnisse vom Wochenende (SPD-Landesparteitag) beruhigen mich erstmal nicht.
Mehr Stadt für alle. Vorrang für den Umweltverbund. Weniger Stau. Das geht - mit Platz und Sicherheit für Bus und Bahn, Fuß und Rad.
Auf der Reinickendorfer Ollenhauerstraße wurde ein Radweg markiert, der Radwegestopp des Senats hat die CDU-Stadträtin dort animiert, diesen Radweg nicht freizugeben. Gestern gab es dort einen schweren Unfall. Der schwer verletzten Radfahrerin alles Gute.
Wie steht Berlin zum 49-EUR-Ticket?
Allen fällt ja auf, dass die Koalition aus CDU und SPD eher an der Rückabwicklung des Fortschritts arbeitet denn an eigenen Projekten. Dabei wird auch das torpediert, was funktioniert. Und wie ist das beim 49-EUR-Ticket? Während Frankreich eine eigene Variante einführen will, denkt Berlin über Sonderwege nach.
Es wird am bundesweiten Ticket rumgegraben, Insellösungen für Berlin geprüft. Statt Ermäßigungen auf Basis des Bundestickets anzugehen, wie es andere Bundesländer tun, oder - wie der Bundestag es tut - sich für familienfreundliche Erweiterungen oder ein Semesterticket einzusetzen.
An diesem Donnerstag gibt es nun eine Sondersitzung der Verkehrsministerkonferenz (VKM). Erneut eine gemeinsame Haltung der Bundesländer finden für die Fortfinanzierung des 49-EUR-Tickets ist das Ziel. Eine weitere Chance für Berlin, sich klar pro Ticket zu positionieren. Denn das D-Ticket wird auch in Berlin rege genutzt.
Also? Was sagt die für Mobilität zuständige Berliner Senatorin in Berlin? Oder der Regierende Bürgermeister? Schweigen, beide. Keine Äußerung, nirgends. Puh.
Sonderbaurecht zur ungewollten Nachverdichtung?
Seit vielleicht fünf Jahren gibt es Widerstand gegen die Bebauung der offenen Höfe der Wohnhäuser Kavalierstraße/Ossietzkystraße/Am Schlosspark. Anwohnende und Bezirkspolitik haben sich immer wieder gegen dieses Vorhaben ausgesprochen, weil die eh schon dichte Bebauung in der Gegend beklemmend eng würde. Die begrünten Höfe sollen gar mit einem Bebauungsplan gesichert werden. Kompromisse zu einer schonenden Nachverdichtung - es gab beispielsweise einen ganz eigenen Vorschlag des Architekten Volkmar Nickol - wurden durch Gesobau und SPD-Bausenatoren abgelehnt. Das Bauvorhaben war gescheitert.
Der CDU-SPD-Senat suchte und erfand dann einen anderen Weg: Der Bauantrag der Gesobau wurde vom Senat im Wege eines Sonderbaurechts doch auf den Weg gebracht. Das Bebauungsplanverfahren wurde einkassiert. Baumfällungen und Bebauung sollen so - trotz anhängiger gerichtlicher Verfahren - kommen.
Vorweg: Das Sonderbaurecht hat gute Gründe. Die Notsituation von Geflüchteten gebietet schnelles Handeln. Die bisherigen Platzreserven sind nahezu ausgeschöpft. Lösungen werden rasch benötigt.
Der Eindruck ist allerdings, dass Notsituation und Sonderbaurecht gezogen werden, um ein aus guten Gründen abgelehntes Wohnungsbauprojekt nun entgegen der Rechtslage für dauerhaften Wohnraum und gegen alle guten Gründe durchzuziehen. Dieser Vorwurf steht nahezu unabweisbar im Raum. Zumal der Gesobau-Bauherr bereits durchblicken ließ, dass er die Neubauten natürlich nachnutzen will.
Hinzu kommt: Dieses Bauvorhaben wird die akuten Unterbringungsprobleme nicht lösen. Zwei Jahre bis zur Fertigstellung (Eröffnung Herbst 2025 angepeilt - und offen, ob das klappt) - da können besser geeignete Standorte schneller aktiviert werden, teils mit bestehenden Gebäuden, teils auf offenen, gut und städtebaulich verträglich, auch als Zwischennutzung zu bebauenden Arealen (Pankower Tor, ehemaliger Güterbahnhof Greifswalder Straße - als nur zwei Beispiele). Senat und Bezirk sollten zusammenarbeiten, statt vor allem vor Gericht zu sprechen.
Im Vergleich unter den Berliner Bezirken bringt sich Pankow bei der Unterbringung geflüchteter Menschen stark ein, hat den höchsten Anteil absolut und auch pro Kopf. Darauf lässt sich nicht ausruhen. Wir werden und wir können in Pankow bauen, um Menschen helfen zu können.
Beste Grüße
Stefan Gelbhaar
KURZSTRECKE
Auch 2023 wird wieder der Pankower Ehrenamtspreis samt Preisgeld in Höhe von 3.000,- Euro ausgelobt. Bis zum 31. Oktober können Vorschläge eingereicht werden.
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) Afghanistan tagt bei Anhörungen öffentlich. Es gibt die Möglichkeit, von der Tribüne aus zu verfolgen, wie im Ausschuss zu den Geschehnissen rund um den Abzug der internationalen Kräfte und die durchgeführte militärische Evakuierungsmission Zeug*innen befragt werden. Bei Interesse meldet Euch: stefan.gelbhaar.wk@bundestag.de. Darf auch weitergegeben werden.
Über den Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises 2023 wird abgestimmt. Für bürgerschaftliches Engagement wird dieser vom Bundesfamilienministerium vergeben. Mit dabei sind zwei Projekte aus Pankow: Die Grundschule am Teutoburger Platz mit "Stolpersteine zum Sprechen bringen" und FamilienMut e.V.. Bis zum 24. Oktober ist die Stimmabgabe möglich.
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