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Frieden für die Ukraine



 

Wir sollten über den Frieden sprechen. Jede sinnvolle Anstrengung ist es wert unternommen zu werden, um Frieden zu erreichen. Einen Frieden, der hält und Freiheit in Sicherheit in sich birgt.

 

Wie ist dieser also zu erreichen - und wie nicht?

 

Die Ausgangslage ist bekanntermaßen denkbar ungünstig.

 

Bricht Putin seinen Eroberungskrieg einfach ab oder gibt alle aktuell besetzten Territorien auf, so wird das wohl zu seinem raschen politischen Ende führen, auch offen, was dann persönlich sein Schicksal sein würde. Damit verbunden das Schicksal vieler derjenigen, die Putin stützen und zugleich von ihm abhängen.

 

Auch Selenskyi ist umrahmt von Vorgaben. Sei es aus der ukrainischen Verfassung, die vorgibt, die Mitgliedschaft in EU und NATO anzustreben, die festlegt, dass zum Territorium der Ukraine auch die Krim gehört. Sei es das unglaubliche Leid, dass die Ukraine Tag für Tag erfährt und erfahren hat, was jedem ukrainischen Präsidenten nur einen engen, begrenzten Handlungsrahmen gibt.

 

Aber es geht nicht um die beiden. Denn die Ukraine wie Russland verlieren neben gemeinsamer Geschichte, Wohlstand und militärischen Gerät gerade eine oder gar zwei Generationen im Gemetzel in der östlichen Ukraine. Die Ukraine überdies hunderttausende Menschen durch Flucht gen Westen.

 

Auf ein schnelles militärisches Ende hatte wohl kaum jemand ernsthaft gehofft. Außer natürlich den beständig scheinbar wohl informierten Militärsachverständigen, die vom „Rückgewinnen der Initiative“ sprachen und die doch immer wieder falsch lagen. Kein Vorwurf. Krieg halt.

 

Und selbst wenn: wie sieht denn ein militärisches Ende des Krieges aus? Die Ukraine kehrt zurück in alle besetzten Gebiete, auf die Krim, und dann schweigen plötzlich die Waffen? Nein, das ist wohl nicht der Gedanke der Militärstrateginnen und -strategen. Diese erwarten dann wohl eher eine Eruption im russischen Machtgefüge, die Putin nach seiner Niederlage hinwegfegt, denn erst neue Personen könnten eine andere Politik gegenüber der Ukraine nach einer massiven Niederlage etablieren. Allein ist das ein Vabanque-Spiel sondergleichen. Der militärische Komplex hat in Russland zuletzt viel Macht gewonnen, zurück in die turbulenten, gefährlichen 1990er Jahre will kaum jemand in Russland.

 

 

Was also tun?

 

Eine räumliche Begrenzung des Konflikts ist richtig. Wenn auch zum Nachteil der Ukraine.

 

Eine rhetorische Begrenzung des Konflikts ist richtig. Wenn Kubicki oder Pistorius über die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder Kriegstüchtigkeit schwadronieren, dann spielen sie einerseits ein weiteres Mal mit dem Bruch des Generationenvertrages. Zum anderen konterkarieren sie rhetorisch die Bemühungen um eine Eingrenzung des Konflikts. Dem gilt es entgegen zu treten.

 

Die Unterstützung der Ukraine ist richtig, muss aber mehr umfassen als humanitäre und wirtschaftliche Hilfe, Waffen und Ausbildung.

 

Die Forderungen nach einem Waffenstillstand sind nachvollziehbar, allein ein solcher wird taktisch wie strategisch von den beiden Kriegsparteien kaum durchzuhalten sein. Das legen die letzten Jahre mindestens nahe.

 

Das offene Nachdenken über mögliche Varianten eines nachhaltigen, dauerhaften Friedens und die Wege dahin ist richtig. Und deutlich mehr davon ist nötig - und sollte begrüßt statt bekämpft werden.

 

Erster Schritt: Keine Sicherheitskonferenzen mehr ohne deutlich sichtbare Erörterungen eines stabilen europäischen Friedens- und Sicherheitssystems.

 

Allein, wie soll die Ukraine einer russischen Elite trauen, die sie mit einem Überraschungsangriff auszulöschen gedachte? Wie können Checks and Balances aussehen? Wie die Vorteile für die jeweiligen Seiten, damit die Unterschrift unter Friedensverträgen möglich wird?

 

Temporale Gebietsaufgaben mit festen Rückgabezeitpunkt - auch das gab es schon, man denke an Hongkong und Macau. Einen Gedankengang wert, aber das allein wird nicht reichen.

 

Die vielen diplomatischen Initiativen und Verhandlungen zu Fluchtkorridoren, Gefangenenaustauschen, zur Überwachung der Atommeiler, im UN-Sicherheitsrat, zu Getreidelieferungen - sie zeigen, dass die Diplomatie etwas erreichen kann, ja erreicht hat. Stete Verhandlungsofferten - ja, gern. Allein: der Grundkonflikt braucht diplomatische Ausdauer, zu erarbeitende Handlungsräume und Varianz.

 

Naivität, insbesondere der Glaube, Russland besser zu kennen: weg damit. Denn etliche Machtrisse und -verschiebungen sind gegeben, es ist wenig gewiss.

 

Ja, das liegt gerade - mindestens gefühlt - weit weg, aber: Mit Russland muss ein Fundament gefunden werden, das Konflikte formalisiert und in einem zu erkundenden gemeinsamen Sinne entwickelt.

 

Russland ist mehr als nur Putin. Das zeigen nicht zuletzt die Menschen, die sich trotz aller Gefahr gegen Putin zur Wahl stellen wollen wie die Journalistin Jekaterina Dunzowa. Diese Menschen sollten wir sehen und wahrnehmen.

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