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Bund: Ampel mit Potential +++ Berlin: R2G kann Arbeit fortsetzen +++ Pankow: Linke in der Sackgasse



Liebe Leser*innen,


vor vier Jahren saß bei den Jamaika-Gesprächen der Bild-Chefredakteur quasi mit am Tisch. Am Ende brauchten Sondierungen und Koalitionsverhandlungen Zeit weit bis ins nächste Jahr, der Bundestag konnte erst ab Februar in seinem normalen Rhythmus zum Arbeiten kommen. Diesmal ist noch vor Jahresende der Koalitionsvertrag unterschrieben, der Bundestag hat einen neuen Kanzler gewählt und die Ausschüsse sind allesamt konstituiert. Alles inmitten der sich wieder zuspitzenden Corona-Pandemie.

Und inhaltlich? Der ausgehandelte Koalitionsvertrag ist ein Ausgangspunkt, um Deutschland moderner, gerechter und ökologischer zu machen. Eine Textstelle des Koalitionsvertrags ist mir ins Auge gefallen: „Insbesondere die Erfahrungen der Ostdeutschen“ sollen „für die anstehenden Transformationsprozesse“ genutzt werden. Jene einzubeziehen, die gesellschaftliche Veränderung erfahren haben, das Gute wie das Schlechte von Umbrüchen bewerten können, ist sinnvoll. Denn Transformation verändert. Die Gesellschaft, die Menschen, den Menschen. Wenn wir solche Erfahrungen nutzen, kann der Aufbruch leichter gelingen. Ein Aufbruch ist etwa nach 12 Jahren CSU-Verkehrspolitik bitter nötig. Die Pariser Klimaziele können wir nur mit einem starken Beitrag aus dem Verkehrssektor erreichen, mit neuen Anreizen und dem Abbau klimaschädlicher Subventionen. Diese Koalition bietet - trotz aller auch sicher mal strittigen kommenden Debatten - das Potential für einen substanziellen Aufbruch. Ich werde dafür arbeiten, dass mit der Ampel eine Grüne Welle für die Verkehrswende kommt. Dazu gleich noch ein paar Zeilen mehr.

Derweil in Berlin: Der rot-grün-rote Senat kann erneut auf eine große Mehrheit im Abgeordnetenhaus bauen. Viele Vorhaben, die in der vorherigen Wahlperiode angeschoben wurden, müssen nun konkret und sichtbar werden - z.B. der Umbau gefährlicher Kreuzungen oder der Aufbau eines dichten Radwegenetzes und eine gerechtere Verteilung des öffentlichen Raumes. Natürlich hätte ein Zusammenspiel mit einem bündnisgrün geführten Verkehrsministerium beim Thema Parkraum, Fahrradstraßen oder Pop-Up-Bikelanes einiges an Synergien auslösen können. Ich werde gleichwohl intensiv ausloten, was unter den Rahmenbedingungen einer Ampel an progressiver Unterstützung für die Berliner Verkehrswende "drin" ist.

Und in Pankow? Auch dazu gleich noch ein paar Zeilen mehr. Nur so viel als Teaser: Während auf der Bundes- und Berliner Ebene erfreuliche und effiziente Verhandlungen liefen, ist die kommunalpolitische Lage in Pankow angeschlagen: dort wurden die Bündnisgrünen stärkste Kraft, R2G hätte mit satter Mehrheit die Arbeit der letzten 5 Jahre fortsetzen können. Es kam anders... ganz anders.

Aber eins nach dem anderen - und vor allem wünsche ich Ihnen eine entspannte Zeit vor, während und vor allem nach dem Lesen dieser Zeilen. Weihnachten steht vor der Tür - und wir alle sollten nach diesem herausfordernden Jahr ein paar Momente der Ruhe finden können. Ich werde es jedenfalls versuchen. Als kleines Gimmick ist auf meiner Facebook-Seite seit dem 1. Dezember jeden Tag ein Türchen geöffnet worden. Zu entdecken: jeden Tag musikalische Mobilitätsimpressionen, mit verkehrspolitischer Widmung. Ein paar, auch ein, zwei gemeine Schmunzler sind eingebaut. Viel Spaß beim Entdecken: www.facebook.com/Gelbhaar


Mit angezogener Handbremse, volle Fahrt voraus oder doch im Rückwärtsgang? Der „Ampel“-Vertrag und die Verkehrswende.

Aus der rot-grün-gelben Arbeitsgrundlage nachfolgend ein kleines Potpourri aus meiner Sicht als Verkehrspolitiker und Stadtmensch. Neben der Antriebswende haben wir massive Investitionen in ÖPNV, Schiene und Ladeinfrastruktur vereinbart. Der nationale Radverkehrsplan soll umgesetzt werden, ein solider Bundesmobilitätsplan 2040 soll die Betonierungsträume namens Bundesverkehrswegeplan ablösen. Das Straßenverkehrsrecht soll sich zukünftig auch an den Zielen des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und städtebaulichen Entwicklung orientieren. Damit steht die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Autoverkehrs nicht mehr über allem - die Chance zur Vorfahrt für umwelt-, klima-, und gesundheitsfreundliche Verkehrsarten. Die Förderung emissionsfreier Stadtlogistik, das Ziel der Dekarbonisierung des Automobilsektors, der Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Ausbau des Schienennetzes, das Ziel, die Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr deutlich zu steigern, all das sind Vorhaben, die auch die Lebensqualität in Berlin deutlich verbessern können. Die Nachrüstung von LKW-Abbiegeassistenzsystemen „bis zum verpflichtenden Einbau“ zu fördern, ist Gegenstand des Vertrags - auch da wird es darum gehen, dass das Verkehrsministerium da nun rasch aktiv wird. Dies sind nur einige Beispiele. Und ja, vieles ist offen und nicht spezifiziert. Mein ganz persönlicher Pferdefuß ist die deutlich ausbaufähige Passage zum Radverkehr. Es gibt jedoch zahlreiche Ankerpunkte im Vertrag, welche die Verkehrswende klar im Blick haben. Maßstab wird letztendlich das Handeln der Fraktionen und nicht zuletzt des Verkehrsministers sein. Es wird drauf ankommen, das Potential zu heben, auch wenn im Koalitionsvertrages eben nicht alles vereinbart oder durchbuchstabiert ist - ausgeschlossen ist (fast) gar nichts.

Sören Benn, Pankower Bürgermeister von Rot-Rot-x?

Am 4. November ließ sich Sören Benn erneut zum Pankower Bürgermeister wählen. Aufgestellt hatte ihn eine "Zählgemeinschaft" aus Linken und SPD, die 23 der insgesamt 55 Stimmen der Pankower Bezirksverordnetenversammlung auf sich vereinen. Für eine Mehrheit wären also 28 Stimmen nötig gewesen. CDU, FDP und Bündnisgrüne schlossen vorab aus, für den rot-roten Kandidaten zu stimmen. Die drei Fraktionen haben zusammen 27 Stimmen. Gewählt wurde Sören Benn im ersten Wahlgang mit 29 Stimmen, unter Applaus der AfD, die ihm hinterher auch zur Wahl gratulierte.

Für uns ist es Teil des demokratischen Grundkonsenses, bei parlamentarischen Entscheidungen rechtsextreme Parteien wie die AfD außen vor zu lassen. Dass die AfD den Pankower Bürgermeister ins Amt gewählt hat oder zumindest behaupten kann, dass sie dies getan habe, ist ein Dammbruch, der ungeheilt ist.

Fast unbemerkt dann die weiteren Folgen: Die bezirkliche Verkehrspolitik wird künftig von der CDU verantwortet - Linke und SPD beschlossen, dass Verkehrsreferat dieser zu übergeben. Statt Radwegen werden nun neue Straßen angekündigt. Aber da sag ich mal: warten wir es ab... Die Bündnisgrünen übernehmen nun das Gesundheits- und das Jugendamt. Nun gilt es also, auf diesen Gebieten deutliche Akzente bündnisgrüner Politik zu setzen - die Chance werden wir uns nicht nehmen lassen!


Moorwiese bleibt!

Am 18. November übergab die Initiative "Am Sandhaus" den Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses mehrere Tausend Unterschriften zum Erhalt des pädagogisch betreuten Spielplatzes Moorwiese und des Naturerfahrungsraumes bis hin zum geschützten Feuchtgebiet Moorlinse. Trotz vorangegangener Öffentlichkeitsbeteiligung, die einen stärkeren Schutz dieses Raumes und eine Verlagerung der notwendigen Wohnbebauung in weiter westlich gelegene Gebiete vorsah, betreibt des Senat weiter eine Verdichtung des Naturraumes. Dem stellen wir uns entgegen und unterstützen ausdrücklich die Initiative und den Spielplatz.


Corona wirksam bekämpfen: Neue Rechtsgrundlage für umfangreiche Schutzmaßnahmen

Die Lage ist ernst. Nach wie vor nimmt in vielen Regionen die Zahl der Patient*innen mit Covid-19 auf den Intensivstationen weiter zu. Die Omikron-Variante erhöht den Handlungsdruck zusätzlich. Das Risiko für Infektionen muss deutlich reduziert werden. Zusammen mit SPD und FDP haben wir diverse Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie beschlossen. Ergänzend zu den bereits im November beschlossenen Regelungen wie etwa 3G am Arbeitsplatz und im Fern- und Nahverkehr sowie die Homeoffice-Pflicht präzisieren und erweitern wir das Instrumentarium der Länder. Das novellierte Gesetz schafft so die Möglichkeit, auch gastronomische Einrichtungen, Bars und Diskotheken zu schließen. Die Geltungsdauer der in den Ländern bis zum 25. November 2021 in Kraft getretenen Schutzmaßnahmen wird bis zum 19. März 2022 verlängert. Bereits geltende Maßnahmen können damit fortbestehen. Damit wird eine differenzierte Reaktion auf das nach wie vor unterschiedliche Infektionsgeschehen in den Ländern möglich, gleichzeitig verlagern wir die Verantwortung zurück in die Parlamente. Unser wichtigstes Mittel sind jedoch die Impfungen. Die wieder steigende Nachfrage nach Impfungen, ob Erstimpfung oder Auffrischung, ist gut. Alle Menschen, die das wollen, sollen schnell eine Impfung erhalten können. Deshalb werden wir mit unserem Gesetz den Kreis der Impfberechtigten erweitern und Impfungen zum Beispiel durch Apotheker*innen oder Zahnärzte*innen nach vorheriger Schulung ermöglichen. Mit großer Sorge beobachte ich heftige Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen mit Todesopfern. Da brauchen wir einen Schutzwall. Überall dort, wo Menschen mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf behandelt, gepflegt oder betreut werden, haben wir eine zunächst einrichtungsbezogene Impfpflicht eingeführt. Bis zum 15. März müssen alle dort tätigen Personen einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen. Gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen im Bundestag werden wir in den nächsten Wochen darüber diskutieren, wie in einem nächsten Schritt eine allgemeine Impfpflicht für Erwachsene ausgestaltet werden soll. Dafür braucht es aber vor allem eins: auch ausreichend Impfstoff.


Bleiben Sie gesund!

Stefan Gelbhaar

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