Liebe Leserinnen und Leser,
über das Dorf Lützerath redet schon wieder fast keiner mehr - dabei ist es eben nicht damit getan, die Dörfer Kuckum, Ober- und Unterwestrich, Berverath und Keyenberg gerettet zu haben. Im Gegenteil: Im Osten der Republik liegt nochmal mehr als die gleiche Menge im Boden, die noch rausgeholt werden soll bis 2038, rund um Mühlrose. Die Auseinandersetzung um die Energiewende geht also in die nächsten Runden: Effizienz und Erneuerbare steigern, weiter gegen Kohle aus dem Boden holen, im Westen weiter mindestens juristisch. Im Osten wird es noch massiv politisch: der Kohleausstieg 2030 ist zu forcieren - mit offenem Ausgang. Den Anschluss bei der Energiewende darf gerade der Osten nicht verlieren, die Gefahr besteht allerdings, zu viele „fossile Freunde“ versperren hier noch die Zukunft.
Ein Blick über den Sektorrand verrät aber: Die anderen Sektoren müssen nicht minder liefern, wie die riesige Lücke beim Klimaschutz im Verkehrssektor verrät. Hier muss das Verkehrsministerium endlich liefern - die Vorschläge liegen auf dem Tisch - nun muss das Ministerium endlich mal ins Arbeiten kommen. Sogar eine Klimaklage hat sich der Verkehrsminister nun eingefangen. Das ist schon herb für einen Minister.
Die Vorschläge liegen auf dem Tisch - und das meint auch: Planungsbeschleunigung. Etwa bei der Elektrifizierung von Schienen (Oberleitungen) und Straßen (Ladeinfrastruktur). Da hakt es, massiv. Und der Koalitionsausschuss? Eine Einigung entlang des Koalitionsvertrages wäre aus bündnisgrüner Sicht möglich gewesen - da steht für den Verkehrsbereich: Elektrifizierung der Schiene auch im Naturschutzrecht privilegieren. Bereits ein Kompromiss. Aber Koalitionspartner wollten den Umweltschutz schleifen, um den ja nun gerade nicht klimafreundlichen Autobahnbau zu beschleunigen. CO2 und Beton statt Flora und Fauna: Das ist dann nicht durchgekommen, welche Überraschung, saßen nunmal Grüne mit am Tisch. Der Austausch war trotzdem wichtig, gut und kurz. Eine nächste Runde ist vereinbart. So viel aus der Glaskugel: Die FDP will nicht darüber reden, welche Projekte sie umsetzen will, aber einen Blankocheck für ihre fossilen Lieblingsprojekte? Das wird so nix.
SPD vollführt Rolle rückwärts bei der A100 - Wahlkampfmanöver der PdL im Ausschuss
In der letzten Woche wurde bekannt, dass die Autobahn GmbH ein Ingenieursbüro mit der Planung der Verlängerung der A100 (17. Bauabschnitts) beauftragt hat. Korrekterweise muss man sagen: die Beauftragung ist nun rechtsgültig geworden. Denn eigentlich war die Ausschreibung bereits vor einem Jahr. Aber wie es immer so ist: Die Vergabekammer redet auch nochmal ein Wort. Also eigentlich alles normal, und ein Jahr verloren - so aus Sicht der Autobahnbau-Liebhaber.
Interessant sind die Entwicklungen derweil: das Land Berlin, mit der Koalitionsregierung aus SPD, B90/Grüne und LINKE, hat sich geschlossen gegen die Verlängerung der A100 ausgesprochen. Interessant auch, dass die SPD im Bundestag nun in einem Papier zumindest die Sätze tilgte, die die Umsetzung aller Autobahnprojekte, auch der A100, nochmal festgeschrieben hätte. Ob nun Projekte wie die A100 - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - gemeinsam besprochen und abgestimmt werden? Bislang wird da in Gutsherren Art vom Verkehrsministerium aus dem Glockenturm regiert.
Wahlkampfmanöver, etwa der Partei Die Linke, helfen da auch nicht. Ein alter A100-Stoppen-Antrag wurde nach einem Jahr wieder rausgekramt und auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt. Ist ja gerade Wahlkampf in Berlin. Ob die Arbeit, die A100 wirklich zu stoppen, damit unterstützt wird, wenn die A100-Gegner sich gegenseitig vorführen wollen? Eher nicht. Nun, es wurde vertagt.
49-EUR-Ticket - wann kommt es denn nun?
Der Teufel mag im Detail stecken. Aber vor allem muss halt Zeit und Kraft investiert werden. Beim 49-EUR-Bundesticket wird eher Zeit investiert, aber etwas anders als gedacht: Im Gegensatz zu diversen Ankündigungen und Wünschen läuft es nun auf dem 1. Mai 2023 hinaus. Ich freue mich (trotz der diversen nur bedingt nachvollziehbaren Verzögerungen)! In den Ländern und Gemeinden wird nun sicherlich viel über zusätzliche Ticketvarianten auf Basis des 49-EUR-Tickets nachgedacht: Jobtickets wird es geben, Schüler- und Sozialtickets sicher ebenso. Und zwar nicht nur in Berlin. Und die werden dann auch bundesweit gelten. Ein Knackpunkt wird erst mit der Zeit gelöst werden: die Einnahmeaufteilung. Denn auch hier wird es einer Fein- und einer Nachjustierung bedürfen. Der Gesetzesentwurf jedenfalls ist endlich fertig und liegt nun im Kanzleramt, und demnächst im Bundestag.
Verdruckster Autogipfel aka 1. Mobilitätsgipfel - die Nachbetrachtung
Relativ kurzfristig wurde zum 10. Januar 2023 ins Kanzleramt zum sogenannten Mobilitätsgipfel eingeladen. Geladene Gäste? VW, Mercedes, Tesla, BMW, Ford, Opel und Daimler Truck (und ja, auch Northvolt) - dazu Verbände wie ADAC, Verband der Automobilindustrie (VDA), tatsächlich waren auch Agora Verkehrswende und das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende eingeladen. Bei insgesamt 37 Teilnehmenden wäre das kein Mobilitätsgipfel - wohl dadrum wurde am Tag selbst und im Nachgang erläutert, dass der Teilnehmerkreis nach den Themen ausgewählt worden sei, beim nächsten Gipfel - noch in diesem Jahr - wäre die Zusammensetzung dann anders. Nun denn. Und inhaltlich? Top 1: Klima- und Umweltschutz im Verkehr: Fokus vollständig auf Antriebswende, aber mangels konkreter BMDV-Vorschläge keine Verabredungen zur Dekarbonisierung. Allerdings ließen die Autobauer den Verkehrsminister dem Vernehmen nach bei seinem Wunsch nach Technologieoffenheit abblitzen und bekräftigten ihren Fokus auf die Elektromobilität. Top 2 betraf die vernetzte Mobilität: Deutschland soll zum führenden Innovationsstandort für autonomes Fahren werden. Schließlich ging es bei TOP 3 um die Resilienz von Lieferketten - die Problemlage ist nun geeint.
Schneefreie Wahlkampf-Grüße,
Stefan Gelbhaar
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