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„Verkehrsherbst“ +++ Haushalt 2024 +++ A100 explodiert +++ Generaldebatte Ost +++ Greenpeace & SUV



Liebe Leser*innen,


der Herbst wird verkehrspolitisch. Gleich eine ganze Reihe von Gesetzen wird verhandelt und soll bis zum Ende des Jahres im Bundestag verabschiedet sein: Mautgesetz (MautG), Genehmigungsbeschleunigungsgesetz (GBeschG), Straßenverkehrsgesetz (StVG), Bundesschienenwegeausbaugesetz (BSWAG), Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG) und Mobilitätsdatengesetz (hat noch keine Abkürzung - kreative Vorschläge: gern).


Und dann gibt es da noch die Bahnreform (braucht keine Abkürzung, hat trotzdem eine: InfraGO), und die Bedarfsplanüberprüfung (BPÜ) des Bundesverkehrswegeplans (BVWP - eigentlich des Bedarfsplans nach dem Bundesfernstraßenausbaugesetz - BFStrAG) oder den Haushalt. Es hat sich einiges angesammelt. Die Gespräche und Verhandlungen haben bereits begonnen. Wasserstände folgen.



Haushalt 2024 in 1. Lesung


Diese Woche wird der von der Bundesregierung beschlossene Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 in den Bundestag eingebracht. Fast 30 Milliarden Euro will der Finanzminister gegenüber dem Jahr 2023 einsparen. Der Entwurf sieht entsprechend fast überall Kürzungen vor. Der Verkehrsetat wächst zwar als einer der wenigen Etats um etwas mehr als 3 Mrd. Euro an. Allerdings steigen nach Schätzungen des Finanzministeriums die Einnahmen durch die Änderung der LKW-Maut um über 7 Mrd. Euro. Im Ergebnis kommen also gut 4 Mrd. Euro aus der Maut-Erhöhung nicht im Verkehrshaushalt an. Im Einzelplan selbst fließen 2,8 Mrd. Euro mehr in Erhalt und Ausbau der Schieneninfrastruktur. Aus dem Klima- und Transformations-Fonds sollen im Jahr 2024 weitere 4 Milliarden kommen. Das sind die mit Abstand größten Zuwächse in der Finanzierung der Schieneninfrastruktur, die es in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. Für jeden einzelnen Cent davon haben wir seit Beginn dieser Legislaturperiode gearbeitet, gekämpft, genervt. 400 Mio Euro zusätzlich (im Vergleich zu 2023) gibt es für Erhalt und Ausbau der Wasserwege. Immerhin muss sich dieses Jahr nicht wieder das Parlament darum kümmern, dass die Schleusen nicht auseinanderfallen, sondern dass das notwendige Geld kommt. Allerdings finden sich auch für den Straßenbau 200 Mio. Euro mehr. Hier werden wir in den Beratungen insbesondere beim Neubau noch einmal ganz genau hinsehen, was da wirklich nötig ist. Der Flugverkehr hingegen ist von 100 Mio. Euro, der Radverkehr sogar von 150 Mio Euro Kürzungen betroffen, wobei hier mit Jahresresten und sog. Verpflichtungsermächtigungen das Bild etwas sanfter ausfällt. In den kommenden Wochen werden wir darum ringen den Entwurf zu verbessern.




Kostenexplosion bei A 100 geht weiter


Eine Zahl, die die Bundeshaushaltskasse in Zukunft belasten könnte, interessiert mich stets besonders: Die immer weiter explodierenden Kosten für den geplanten Weiterbau der A 100. Aktuell kalkuliert das Verkehrsministerium 1,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2016, als der Bau mit schwarz-roter Regierungsmehrheit beschlossen wurde, wurden die Kosten insgesamt noch auf 848,3 Mio. geschätzt. Oder anders gesagt, die Kosten haben sich in sieben Jahren fast verdoppelt. Gleichzeitig zeigen die Zahlen: In Berlin wird immer weniger Auto gefahren. Die Bundeshaushaltsordnung sagt dazu, dass nur wirtschaftliche Projekte finanziert werden dürfen. Mindestens der 17. Bauabschnitt, der gerade in der Vorplanung steckt, könnte nach einer ehrlichen Kalkulation also nicht mehr wirtschaftlich sein, wenn die Kosten steigen und der Nutzen sinkt. Doch die zerstörerische Schneise mitten durch Berlin wird auf Anweisung des Verkehrsministers immer noch weiter geplant. Koste es, was es wolle. Die A-100-Planung gehört nicht mehr in die Schublade, sondern direkt in den Papierkorb. In Berlin gibt es derweil einige andere Projekte, für die das Geld besser angelegt wäre. Etwa die schon ewig besprochene Verlängerung der S 75 nach Karow - mit der Folge eines Ringschlusses.




Rede im Bundestag: Nachhaltige wirtschaftspolitische Strukturen für den Osten


In der Generaldebatte zum Haushalt wird auch stets der Etat des Ostbeauftragten der Bundesregierung besprochen. Dies wird von den Fraktionen genutzt, um die Aufgaben der Bundesregierung in Bezug auf die östlichen Bundesländer auszuleuchten, aber auch ganz allgemein zum Stand zu debattieren. Ich habe diesen Part diesmal übernommen. Und es gibt einiges zu betrachten: Diese Koalition hat immerhin die Kindergrundsicherung, das Bürgergeld, die Rentenangleichung und den Mindestlohn vorangebracht bzw. erhöht. Das ist wichtig, hilft es doch vielen Menschen im Osten, besser über die Runden zu kommen. Aber das reicht nicht. Wir brauchen moderne industriepolitische Kerne, in Brandenburg, in Sachsen usw. Von den Top 500 Unternehmen sind gerade einmal 42 im Osten angesiedelt. Deshalb ist es so wichtig, dass sich nun Unternehmen wie z.B. Tesla, Intel, Infineon, TSMC ansiedeln. Und ja, das bedeutet auch, dass Robert Habeck, dass diese Koalition gewichtige Fördersummen eben nach Sachsen-Anhalt bringt. Und weiter: Die eklatante Ost-West-Lohnlücke von 13.000 EUR muss geschlossen werden. Dazu braucht es Tarifverträge. Dazu müssen Sonderzahlungen in Ost und West gleich hoch sein. Das sehe ich als eine relevante Aufgabe des Ostbeauftragten, das zu thematisieren und anzugehen. Aber seht die ganze Rede selbst - ich habe auch kurz zu Dirk Oschmann (Der Osten - eine westdeutsche Erfindung) oder der Verbreitung russischer Narrative gesprochen:




Deutsche Autoindustrie hinkt hinterher: Zu wenig Elektro - zu viel Premium


Die aktuelle Greenpeace Studie "SIZE MATTERS" ging folgender Frage auf den Grund: "Wie effizient gehen die 30 Top-Automarken in Europa mit Ressourcen um?" Spoiler: ziemlich schlecht. Untersucht wurde die Effizienz mit Blick auf Energie, Flächen und dem Einsatz von Rohstoffen. Die heimische Autoindustrie muss ihr Fahrzeugangebot umstellen, mindestens aber ergänzen. Klimafreundliche Kleinwagen statt vorrangig schwerer PKW anzubieten erfüllt zugleich mehrere Interessen. Sowohl ökologische, um Umwelt- und Klimaschutz nicht zu konterkarieren, aber auch aus Verbrauchersicht liegen die gleichen Schlussfolgerungen nahe. Kleinere Fahrzeuge sind günstiger in der Anschaffung und im Verbrauch, der geringere Ressourcenverbrauch kommt Umwelt und Geldbeutel zu Gute.


Durch den zaghaften und späten Einstieg in die E-Mobilität hat die hiesige Autoindustrie den erheblichen Technologievorsprung nicht am Markt realisiert. Aus dem früheren Vorsprung ist so eine Aufholjagd geworden. Hinzu kommt, dass allein Premiumfahrzeuge und SUVs nicht den Markt abdecken. Der Kleinwagenmarkt wird anderen überlassen, der Volumenmarkt nicht ausreichend bespielt. Preiseffekte lassen sich so schwerer erzielen. Bei einer Entwicklung zu reinen Premiumherstellern mit wenigen verkauften Pkw werden ohne Sinn Arbeitsplätze vor Ort riskiert.




Beste Grüße

Stefan Gelbhaar



PS: Bis gestern lagen die Unterlagen für den Neubau der Rudolph-Wissel-Brücke (A 100 in Charlottenburg) aus. Wer den Zeitraum verpasst hat und dennoch rein schauen will hat, kann sich gern an mich wenden, ich hab die Unterlagen gespeichert. Einwendungen können bis einschließlich 09.10.2023 eingereicht werden - vielleicht zum Beispiel dazu, dass auf der Brücke keine Radwege geplant sind oder dazu, dass es kein Konzept - und damit auch kein ökologisch und verkehrlich nachhaltiges Konzept - für den An- und Abtransport von tausenden Tonnen Baustoffen und Bauschutt gibt.


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