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Die Bußgeldnovelle, ein Verkehrsminister der umkippt & andere seltsame Vorgänge



Als die Novellen der Straßenverkehrsordnung und des Bußgeldkatalogs am 28.04.2020 in Kraft traten, lobte Verkehrsminister Scheuer diese überschwänglich: Sie würde Mobilität „sicherer, klimafreundlicher und gerechter“ machen. Gerade einmal 2,5 Wochen später machte er schon einen Rückzieher und will einzelne Regelungen wieder aufweichen. Schon das ist bemerkenswert, doch hinzu kommen weitere Punkte, die es genauer zu betrachten lohnt:



Die Suche nach dem Schuldigen


Zunächst lässt die schnelle Bereitschaft Scheuers, die Regelungen wieder rückgängig zu machen, ihn aussehen, wie ein Fähnchen im Wind. Tatsächlich könnte sogar Kalkül dahinter stecken. Die Verschärfungen, denen im Bundesrat auch zahlreiche von der Union mitregierte Länder zugestimmt haben müssen, lassen sich gar nicht so einfach rückgängig machen. Es braucht hierfür ein komplett neues Verfahren mit Beteiligung des Bundesrats samt dessen Zustimmung. Dass Scheuer hier keine Zustimmung erwarten kann und es mit Sicherheit auch nicht tut, liegt auf der Hand. Alleine die grün mit-regierten Länder können eine entsprechende Änderung blockieren und haben das auch bereits angekündigt. Darauf wetten Union und FDP nun aber offenbar, denn so können sie hinterher die Schuld für die Verschärfung der Strafen für Verkehrsverstöße den Grünen zuschieben. Praktisch ist das dann, wenn ihnen ihr eigenes autoaffines Klientel, unliebsame Maßnahmen vorwirft. 



Die „Petition“ und ihr Initiator


Bemerkenswert ist auch, dass der Verkehrsminister und zwei Fraktionen im Bundestag auf eine Unterschriftenliste mit ca. 150.000 Unterschriften derart schnell und stark reagieren. Sogar Großdemonstrationen in ähnlichen Größenordnungen, die besseren Klimaschutz fordern, werden vom Verkehrsminister und auch von FDP und AfD ja für gewöhnlich ignoriert. Die Unterschriften kommen anscheinend ganz gelegen. Tatsächlich handelt es sich bei der „Petition“, auf die FDP und AfD verweisen, nicht um eine offizielle Petition an den Petitionsausschuss, sondern um eine Unterschriftensammlung auf openpetition.de Hier kann jede*r Internetnutzer*in mit E-Mailadresse per Klick mitzeichnen.

Initiator der Unterschriftensammlung ist Dr. Michael Haberland. Haberland ist Mitglied der CSU und war Kandidat für den Stadtrat München bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 (er hat bisher keinen Platz bekommen). Zudem ist er Gründer und eines von zwei Vorstandsmitgliedern des Automobilclubs „Mobil in Deutschland e.V.“. Als solcher wurde er bereits von der AfD als Sachverständiger zur Öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses des Bundestags zur Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes eingeladen (26. Sitzung). 



Zusammenspiel von AfD, CDU/CSU und FDP


Die AfD war es auch, die die Unterschriftensammlung des CSU-Mitglieds Haberland gegen die neue Bußgeldkatalogverordnung aufgriff und einen entsprechenden Antrag im Bundestag einbrachte. Die FDP sprang mit einem eigenen Antrag bei. Verkehrsminister Scheuer sieht hier nun angeblich „viele Bürgerinnen und Bürger“, die sich gegen die Änderungen aussprechen. Der Unionsabgeordnete Gero Storjohann bat entsprechend während der Plenardebatte die FDP weitere „konkrete[ ] Hinweis[e], was Sie sonst noch alles anpassen wollen“.


Uneinigkeit bei der FDP 


Es lohnt sich, in der Sache auch speziell bei der FDP noch einmal genauer hin zu sehen. Zum Zeitpunkt der Abstimmung der StVO und des BKatV im Bundesrat, am 14.02.2020, stellte die FDP einen mit Hilfe der AfD gewählten Ministerpräsidenten in Thüringen. An der betreffenden Sitzung im Bundesrat nahm für Thüringen niemand teil (siehe Plenarprotokoll des Bundesrat S. 9).

Schleswig-Holsteins FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz steht im Gegensatz zur FDP-Bundestagsfraktion zu den Beschlüssen des Bundesrats. Der Spiegel zitiert ihn mit den Worten: "Schleswig-Holstein hält an den verschärften Sanktionen fest.“



Bußgeldkatalog nach wie vor lückenhaft 


Dass der Bußgeldkatalog noch immer – jetzt mehr denn je – ein großes Durcheinander ist, bestreitet niemand. Durch das punktuelle Anheben mancher Regelsätze ergeben sich Schräglagen, die dringend mit einer umfangreichen Reform behoben werden müssen. Wer in verkehrsberuhigten Bereichen die Schrittgeschwindigkeit nicht einhält oder dort falsch parkt zahlt noch immer nur 15 bzw. 10 Euro. Wer das Parkverbot an Kreuzungen nicht einhält zahlt ebenfalls nur 10 Euro. Und das sind nur ein paar Bespiele. Scheuer muss endlich sauber arbeiten und eine konsistente Bußgeldnovelle vorlegen. 




10.06.2020 -  Zu Gast bei SternTV  zusammen mit Rechtsanwalt Arndt Kempgens




Rede im Plenum zum neuen Bußgeldkatalog - 15.05.2020




Dossier zur StVO-Reform




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